Was ist realistisch? Ein Kommentar von Propst Christoph Giering

Das Marienkrankenhaus gehört von Anfang an zur katholischen Kirche in Lübeck. Es ist älter als die Propsteikirche Herz Jesu. In den Ruf und Wunsch der Mitarbeiterschaft „Das Marienkrankenhaus muss bleiben!“ möchte ich als Pfarrer gerne einstimmen. Aber was ist realistisch?

In der Pressekonferenz und der Mitarbeiterversammlung am Donnerstag machte Verwaltungsdirektor Alexander Becker für das Erzbistum deutlich, dass es zwei Gründe sind, die die Lage dramatisch machen:

Die ausreichende Finanzierung kleinerer Krankenhäuser ist politisch nicht gewollt. Viele Häuser sind unter Druck, viele mussten in den letzten Jahren schließen. Das liegt in der Verantwortung der Politik und der Kassen. Das Erzbistum hat zugeschossen, aber das Haus ist schon seit längerem in einem Defizit, das auf Dauer für die Kirche als Träger untragbar ist.

Hinzu kommt, dass aktuell nicht mehr genug Belegärzte gewonnen werden können, die die ca. 1400 Geburten pro Jahr betreuen. Für mehrere ausgeschiedene Gynäkologen konnte keine Nachfolge gefunden werden. Der Betrieb ist nicht mehr garantiert. Beide Gründe zusammen münden in Überlegungen zur Schließung. Dagegen wurde angekämpft.

Nach vielen anderen Bemühungen des Bistums wurde unter Mitwirkung des Ministeriums in Kiel ein Übernahme-Angebot des UKSH-Lübeck erreicht, das grundsätzlich fair erscheint. Die Übernahme als Tochter-Betrieb unter Beibehaltung des Konzeptes, mit dem Personal und den Belegärzten als Vertragspartnern würde den Weiterbetrieb weitgehend unverändert ermöglichen. Letztlich gibt es dazu für das Erzbistum aber auch für die Stadt Lübeck und das Land wohl keine Alternative.

Der Pferdefuß ist, dass das UKSH die Absicht hat, den Betrieb in den eigenen Campus zu verlagern.

Als Hauptgrund dafür gibt Prof. Jens Scholz vom UKSH an, dass seine gynäkologische Mitarbeiterschaft nicht bereit sei, länger als ein halbes Jahr zur Parade zu pendeln und ohne die Möglichkeiten der Notfallmedizin einer Uniklinik zu arbeiten. Daher müsse der Betrieb bereits zum Sommer verlagert werden und zwar in ein Provisorium.

Besonders zu diesem Punkt gibt es verständlichen Unmut der Belegschaft des Krankenhauses. Die Mitarbeiter/innen betonen die atmosphärischen Vorteile des kleineren Hauses. Es wird von sehr vielen Frauen und Familien als Alternative zum eher technischen Betrieb im UKSH gesucht. Nicht umsonst hat das Krankenhaus einen sehr guten Ruf.

Neben den Interessen der Belegschaft des UKSH sollten m.E. auch die der Belegschaft des Marienkrankenhauses gehört werden. Hier sollte weitergesprochen werden.

Am Donnerstag gab es schließlich auch eine Runde im Rathaus. Dabei wurde die urbane Dimension der Krise angesprochen, die viele Lübecker in den letzten Tagen solidarisch ausgedrückt haben. Es gibt ein Interesse der Stadtgesellschaft, das Haus an der Parade zu belassen.

In den Verhandlungen sitzt das UKSH gegenüber dem Erzbistum sicherlich am längeren Hebel. Noch länger sind jedoch evtl. die Hebel des Ministeriums und vielleicht auch der Stadt Lübeck.

Als Pfarrer würde ich mich jedenfalls freuen, wenn das Marienkrankenhaus weiter unser Nachbar ist. Ort kirchlichen Lebens soll es in jedem Fall bleiben.